Falls du manchmal das Gefühl hast, alle anderen würden KI irgendwie mühelos meistern, während du noch immer nicht so richtig reinkommst – dann ist dieser Artikel für dich. Falls du zwischen Faszination und Frustration pendelst, zwischen schlechtem Gewissen und dem Wunsch, endlich auch mal diesen Rückenwind zu spüren, von dem andere erzählen – dann auch.
Ich schreibe das hier, weil ich selbst durch alle diese Phasen gegangen bin und mir dabei oft gedacht habe: Warum redet eigentlich niemand darüber, wie sich das anfühlt? Es gibt unzählige Artikel über Tools und Prompts, aber kaum welche darüber, warum sich manche dabei hilflos fühlen, während andere von Ko-Kreation schwärmen.
Dieser Artikel ist mein Versuch, diese Lücke zu füllen – nicht als Expertin, die alles weiß, sondern als jemand, die diesen Weg selbst gegangen ist und dabei verstanden hat: Du bist nicht allein mit deinen gemischten Gefühlen, und es ist völlig normal, dass sich dein Verhältnis zur KI entwickelt – in Stufen, mit Rückschritten, und ganz in deinem Tempo.
Mein Weg: Vom Frust zur Freude
Wenn ich zurückblicke, war mein Zugang zur KI noch vor einem halben Jahr „durchwachsen“. Ich war neugierig und fasziniert, habe Tools ausprobiert, mit Prompts gearbeitet und auch passable Ergebnisse erzielt, aber ich hatte noch nicht klar, wie es zu einem verlässlichen, wirklich hilfreichen, Teil des Workflows von uns Solo-Selbständigen werden kann.
ChatGPT, Claude, Gemini nutzte ich hin und wieder, fragte hier mal eine Idee ab, polierte dort mal einen Text. Die Ergebnisse waren gut, sogar beeindruckend – aber sie fühlten sich nicht nach mir an. Es war eher so ein technisches „auch ganz hilfreich“, aber nichts, was mich wirklich getragen hätte. Außerdem probierte ich natürlich jede Menge Tools aus, denn das hab ich ja auch vorher schon immer gern gemacht – und ein Gefühl dafür bekommen, was tendenziell möglich ist mit den Tools Aber ich hatte oft den Eindruck: Die KI-Tools sind alle ausgelegt auf viel mehr Content in viel weniger Zeit – aber ich will ja eher inhaltlich in die Tiefe, ich will verstehen und mit meinen Erkenntnissen andere inspirieren und bei der Transformation begleiten. Was hilft es mir da, wenn ich aus einem einzigen Youtube-Video auf Knopfdruck 7 Kurzvideos, 17 Social Media Posts und 3 Blogartikel machen lassen kann?
Dann kam eine intensive Woche, in der ich beschloss: Ich will das jetzt verstehen! Ich will raus aus dieser sporadischen Nutzung und rein in eine echte Zusammenarbeit, vor allem mit dem „Basistool“ ChatGPT. Seitdem hat sich nicht nur meine Art zu arbeiten mit der KI verändert, sondern auch, wie sie sich anfühlt.
Was ich dabei gelernt habe und was ich in Gesprächen mit anderen Selbstständigen, Coaches und Kreativen immer wieder erkenne: Es ist weniger eine starre Phasen-Einteilung als vielmehr eine Art Entwicklungsweg, den viele von uns gehen. Man springt auch mal hin und her, und das ist völlig normal. Aber vielleicht erkennst du dich ja in der einen oder anderen Beschreibung wieder.
Wenn KI sich anfühlt wie ein weiteres Tool auf dem übervollen Tisch (Phase 1)
Am Anfang ist die KI kein echter Teil deines Arbeitsprozesses. Sie ist eher sowas wie ein gelegentliches Werkzeug, das du hin und wieder zur Hand nimmst, wenn dir einfällt, dass es sie ja gibt. „Ach stimmt, ich kann hier auch die KI fragen.“ Meistens passiert das beim Ideen-Brainstorming oder wenn du eine E-Mail schreiben musst, auf die du keine Lust hast.
Und dann ist da dieses merkwürdige Gefühl: Die Ergebnisse sind gut, manchmal sogar überraschend gut – aber es ist noch kein echter Rückenwind. Es fühlt sich eher an wie ein weiteres, ganz produktives Tool. Aber eben nicht wie dieses „Wow, ich kann richtig Gas geben, weil mir die KI den Rücken stärkt“, von dem andere so begeistert erzählen.
Stattdessen pendelt man hin und her zwischen „Alle nutzen das offensichtlich so produktiv, und ich scheine zu den wenigen zu gehören, die das noch nicht können“ und „Die Entwicklung ist viel schneller, als ich sein kann – ich habe den Anschluss verloren.“
Und dann ist da noch etwas anderes: Weil man es noch nicht richtig versteht, ist man offener für all die kritischen Stimmen. KI wird den Menschen ersetzen, sie sorgt für mehr Fake News, der Energieverbrauch ist problematisch – und das alles stimmt ja auch. Aber ohne ein stabiles eigenes Nutzungsverhältnis landen diese berechtigten Bedenken eher in der Überforderung als in der Klarheit.
Wenn die KI davongaloppiert – oder nur an wenigen Stellen wirklich hilfreich ist (Phase 2)
In der nächsten Phase nutzt du KI schon häufiger. Vielleicht hast du dir ein paar Prompts gespeichert oder nutzt sie für bestimmte Aufgaben regelmäßig. Es läuft besser, aber da ist immer noch dieses Gefühl von Entweder-Oder: Entweder ich arbeite weiterhin selbst und kriege ein paar kleine Hilfestellungen (Ideen, Feedback von der KI, Verbesserungsmöglichkeiten), oder die KI macht alles und ich kann nur noch den fertigen Text lesen und schauen, was ich mit diesem Text mache, der zwar formal gut ist, aber sich nicht nach mir anfühlt.
Es ist wie mit einem temperamentvollem Pferd, zu dem du noch keine richtige Beziehung aufgebaut hast. Die KI galoppiert dir mit ihren Antworten davon, du verlierst den Faden und weißt oft gar nicht, wie du das gute Ergebnis, das du gerade bekommen hast, zu dir stimmig machst. Du probierst rum, bittest die KI um Korrektur, bis es halbwegs passt, aber das kostet Zeit und Nerven. (Mir ist es auch schon oft passiert, dass die Ergebnisse durch dieses „Nachprompten“ noch viel schlechter geworden sind als der erste Wurf.)
Und dann ist da diese innere Zerrissenheit: Du willst ja, weil du KI für wichtig hältst, weil du weißt, dass es dich als „Wissensarbeiter:in“ potenziell deutlich produktiver machen kann – aber du weißt nicht genau, wie du da hinkommst. Die Frage „Bin ich zu langsam? Habe ich den Anschluss verpasst?“ nagt an dir.
Wenn aus „entweder-oder“ ein „sowohl-als-auch“ wird
Irgendwann passiert etwas Entscheidendes: Du beginnst, die KI – also genauer gesagt, den Chatbot – als Partner zu sehen. Nicht als Praktikant, dem du bestimmte Aufgaben gibst und dann machen lässt, sondern als echtes Gegenüber für einen Dialog. Du merkst plötzlich: „Ich kann den Chatbot führen und in Bahn lenken.“ Es ist wie mit dem temperamentvollem Pferd, zu dem du jetzt eine gute Beziehung aufgebaut hast.
Und dann kommt dieses Tschakka-Gefühl: Du arbeitest wirklich gemeinsam mit der KI in so einem dialogischen Hin und Her. Du bringst dich und dein Wissen, dein Bauchgefühl, deine Präsenz voll in den Prozess ein – statt nur zu prompten. Die Ergebnisse fühlen sich endlich sowohl nach dir selbst an als auch kraftvoll von der KI unterstützt. Du erkennst dich darin wieder und spürst gleichzeitig: „Das haben wir gemeinsam gemacht.“
Das bringt auch eine andere Art von Sicherheit mit sich. Du weißt genau, was dein eigener Anteil an den guten Ergebnissen ist, und bist neugierig, was du sonst noch damit erreichen kannst.
Und weißt du, was interessant ist? Auf dieser Ebene kannst du auch beides aushalten: Du hast ein sehr positives Gefühl für die Ergebnisse, die du gemeinsam mit KI entwickelst, UND du hast ein hohes Bewusstsein dafür, dass das Ganze kritisch zu sehen ist. Du entscheidest bewusst: „Hier nutze ich die KI – und hier lasse ich sie bewusst weg.“ Statt hundertmal zu probieren, ob du ein Bild generiert kriegst, nimmst du dir die Zeit und suchst in der Stockbibliothek. Du weißt, wann andere Wege ressourcenschonender sind und zu genauso guten Ergebnissen führen.
Das schlechte Gewissen, das viele umweltbewusste und gesellschaftskritische Menschen beim KI-Einsatz haben, weicht einer bewussten Entscheidung: Die positiven Wirkungen, die ich machen kann, wenn ich die KI als Backup habe, sind es wert, dass ich diese negativen Auswirkungen bewusst in Kauf nehme.
Der Wendepunkt: Wie du vom Tool zur Partnerschaft kommst
Falls du dich fragst, was konkret den Unterschied macht – hier die wichtigsten Erkenntnisse aus meiner „Wendepunkt-Woche“:
Nimm dir bewusst Zeit für den Beziehungsaufbau
Statt sporadisch mal hier und da zu fragen, habe ich mir eine ganze Woche genommen, um wirklich intensiv mit der KI zu arbeiten. Mein Startpunkt war: „Agiere wie ein einfühlsamer Business-Berater. Stelle mir eine Frage nach der anderen und warte immer erst mal meine Antwort ab. Ich möchte erst mal selber Klarheit bekommen.“
Was dann passierte, war ein echtes Hin und Her aus Fragen, Antworten und Reflexionen – und plötzlich hatte ich das Gefühl: Hier versteht mich jemand wirklich.
Bleib Denkerin, auch im Dialog
Der größte Unterschied zu vorher: Ich habe die Antworten der KI nicht mehr als gegeben hingenommen. Nach jeder Antwort bin ich in mich gegangen und habe geprüft: Ist das stimmig? Was fehlt noch? Gefällt mir das?
Wenn nicht, habe ich genau das zurückgemeldet: „Hier ist mir das noch zu oberflächlich – was könnte noch eine weitere Perspektive sein?“ Oder ich habe meine eigene Meinung dazu eingebracht und weitergesponnen.
Führe das Gespräch bewusst
Die KI will sehr hilfreich sein und wird dadurch manchmal übereifrig. Führen bedeutet für mich: Ich sage, wie lang die Antwort sein soll, in welchem Ton sie sprechen soll („Antworte mir, als würdest du mir am Tisch gegenübersitzen“) und dass sie nicht immer am Ende eine „mega hilfreiche“ Frage stellen muss.
Manchmal sage ich auch: „Mach einfach einen Punkt nach deiner Feststellung, dann kann ich selbst weiterlegen, was ich noch dazu denke.“
Bremse das Davongaloppieren
Wann immer ich merke, sie springt in eine falsche Richtung oder wird zu oberflächlich, melde ich das direkt zurück: „Ich habe das Gefühl, du versuchst dich gerade rauszureden, weil du eigentlich gar nicht genau weißt, was du antworten willst. Lass uns doch noch mal überlegen, wie wir zu einem besseren Ergebnis kommen.“
Dann gehen wir erst mal eine Weile auf die Meta-Ebene, bevor wir wirklich einen Text-Output generieren.
Der Schlüssel: Experimentiere mit Rollen
Nach dieser Grundlage habe ich angefangen zu experimentieren: „Bitte wende diese Coaching-Technik an“, „Erstelle mir eine Phantasiereise“, „Spiele mein Zukunfts-Ich, das ich befragen kann.“ Plötzlich wurde die KI zu verschiedenen Sparrings-Partnern, die ich alle zu nehmen wusste.
Das Schöne daran: Wenn du einmal diesen Dreh raus hast, entwickelt sich der Rest fast organisch. Du merkst selbst, wann du von Phase zu Phase wechselst – weil sich die Zusammenarbeit einfach anders anfühlt.
Wenn du lernen möchtest, mehr in den dialogischen Austausch mit ChatGPT oder anderen Chatbots zu gehen, empfehle ich dir meinen kleinen Audiokurs „Deep Talks mit der KI“! Der ist nach meiner intensiven Workation mit ChatGPT entstanden, weil es für mich der absolute Wendepunkt war, vor allem die Interaktionsfähigkeit der Chatbots für meine eigene Klarheit zu benutzen – BEVOR ich anfange, Output damit zu generieren.
Viel Freude auf deiner KI-Lernreise!
Herzliche Grüße
Marit Alke